Empfehlungen aus der RedaktionDie besten Tech-Podcasts des Jahres

Noch nie waren Podcasts so populär wie jetzt. Dabei sieht man mitunter den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wir schaffen Abhilfe und stellen euch unsere Lieblings-Podcasts des Jahres zum Thema Digitalisierung und Gesellschaft vor.

Ein Raster aus Logos der Podcasts aus dem Artikel.
Noch nie gab es so viele Podcasts wie 2020. Wir helfen bei der Orientierung. – Alle Rechte vorbehalten Montage netzpolitik.org

Wenn es neben dem Versandhandel etwas gibt, das 2020 wirklich florieren konnte, dann ist es die Podcastproduktion. Scheinbar im Handumdrehen hatten Audiojournalist:innen weltweit ihre Kleiderschränke in Studios umgewandelt und ihre Produktionen ins Home-Office verlegt. Hosting-Plattformen für Podcasts verzeichneten einen Rekord an Neuerscheinungen und mittlerweile haben sogar die Ex-Royals Meghan und Harry ein eigenes Format.

Aber auch wenn Podcasting mittlerweile unbestreitbar im Mainstream angekommen ist, das Schöne am Hören ist noch immer, dass es für jede:n eine Nische gibt. Wir haben für euch ein paar der besten Podcasts des Jahres rausgesucht, die sich kritisch und informiert mit Digitalisierung, Technologie und Gesellschaft auseinandersetzen. Jeweils mit feiertagsgerechten Empfehlungen einzelner Folgen, damit ihr euch entspannt berieseln (oder wahlweise mitreißen) lassen könnt. Mit von der Partie sind englisch- und deutschsprachige Podcasts.

Recode Daily

[Englisch] Dieser Podcast aus dem Hause Vox, die sich mit ihrem erklärenden, konstruktiven Journalismus einen Namen gemacht haben, ist ein Muss für alle Nerds, die am Ball bleiben wollen und sich auch für ein bisschen Gossip nicht zu schade sind. In wochentäglichen Folgen unter zehn Minuten werden Themen rund um Technologie und Medien aufgegriffen und eingeordnet. Von russischen Hacks bis zu Kartellrechtsverfahren wird hier alles besprochen – dabei ist allerdings zu beachten, dass der Fokus meist auf den USA liegt.

Wir empfehlen die Folgen „The FTC and 48 AGs want to break up Facebook“ (mehr dazu bei uns) und „Why star AI researcher Timnit Gebru left Google“ (auch dazu mehr bei uns).

Netzteil

[Deutsch] Der Spiegel gehörte mit dem Podcast Stimmenfang zu den ersten großen deutschen Medienhäusern, die sich ins Podcast-Gewässer vorwagten. Auch den Podcast Netzteil gibt es mittlerweile seit fast drei Jahren. In etwa halbstündigen Folgen gehen unterschiedliche Moderator:innen auf tief technische, aber auch gesellschaftliche Themen in meist kurzweiligen Interviews ein.

Wir empfehlen „Warum müssen Quantencomputer tiefgekühlt werden?“ und „Warum zahlen, wenn es Pornos im Internet gratis gibt?“

Sway

[Englisch] Elon Musk, Hillary Clinton, Killer Mike, Jane Goodall, die Nobelpreisträgerin Dr. Jennifer Doudna – die Kolumnistin Kara Swisher spricht mit ihnen allen. „Ein Podcast über Macht“, so das Intro der New-York-Times-Produktion („Sway“ lässt sich mit „Einfluss“ übersetzen). In knapp einstündigen Gesprächen tritt Swisher wortgewandt den Mächtigsten der Mächtigen gegenüber oder redet mit denen, die ihnen trotzen.

Wir empfehlen das Gespräch mit dem deutschen Erfinderehepaar des Corona-Impfstoffs „They made the ‚Pfizer Vaccine'“ und „She’s Bursting Big Tech’s Bubble“ mit der Kartellrechtlerin Lina Khan.

Synapsen

[Deutsch] Angespornt von ihrem Erfolg mit dem Coronavirus-Update mit Christian Drosten und Sandra Ciesek, hat die Innovationsabteilung Think Radio des NDR ein neues Projekt im Wissenschaftsbereich gestartet. Der mit Liebe produzierte Podcast Synapsen gibt sich narrativer und polierter als das Coronavirus-Update und nimmt Hörer:innen in halb- bis einstündigen Folgen mit auf Reisen in die Untiefen der Wissenschaft. Es geht zu Korallenriffen, in die Welt der Vogelzählung oder gleich bis ins Weltall.

Wir empfehlen „Flaschenpost von der Erde“ und „Wo sind die Vögel“.

Catch and Kill

[Englisch] Ronan Farrows Enthüllungen über Harvey Weinsteins systematisierte sexuelle Gewalt waren einer der Auslöser der globalen #MeToo-Bewegung. Im Podcast Catch and Kill zu seinem gleichnamigen Buch geht der Autor auf die Hintergründe seiner Recherchen ein. Dabei zeigt er die großen Missstände im Journalismus auf, die dazu geführt haben, dass Weinstein so lange unbeschadet davonkommen konnte. Der serielle Podcast ist spannend erzählt und produziert und schlägt in die Kerbe des True-Crime-Genres, ohne dabei zu voyeuristisch zu werden.

Bellingcat Podcast

[Englisch] Aficionados des investigativen Journalismus werden mit der Recherchegruppe Bellingcat vertraut sein. In tiefgehenden Open-Source-Recherchen gemeinsam mit ihrer Online-Community gehen die Journalist:innen von Bellingcat weltweit Verbrechen nach. Aktuell ist das Kollektiv im Zusammenhang mit neuen Erkenntnissen um die Vergiftung von Alexei Nawalny in den Nachrichten. In einer zweiteiligen Staffel gibt Bellingcat-Gründer Eliot Higgins Einblick in die Recherche um Menschenrechtsverbrechen in Kamerun und demonstriert die Stärken offener Online-Recherche in einer Gemeinschaft. (Warnung: Thematisierung und Darstellung von brutaler Gewalt)

Breitband

[Deutsch] Die Sendung Breitband auf Deutschlandfunk Kultur gibt es schon seit 2007, bekommt aber als Podcast gerade eine neue Öffentlichkeit. Wechselnde Moderator:innen geben einmal wöchentlich tiefen und kritischen Einblick in digital-journalistische Themen. Von Rassismus in der Technologie über Polizeigewalt und Überwachung bis zu den außenpolitischen Verstrickungen von TikTok. Nach jedem Hören fühlt man sich ein bisschen schlauer.

Wir empfehlen „TikTok als Spielball der Außenpolitik“ und „Digitale Barrierefreiheit“.

In Machines We Trust

[Englisch] Künstliche Intelligenzen bestimmen unser Leben mehr und mehr. Oft auf Wegen, derer wir uns kaum bewusst sind. Der Podcast „In Machines We Trust“, produziert von MIT Technology Review, verfolgt diese Pfade und stellt die Frage, ob wir künstlichen Intelligenzen vertrauen können. Ausführliche Recherche, hochwertiger Schnitt und gute Produktion und qualitative Einschätzungen von Expert:innenmeinungen treffen hier aufeinander. Ein spannendes Hörerlebnis, das einen nachdenklich zurücklässt.

Wir empfehlen „No Face… No Service“ über Gesichtserkennung und „AI in the Driver’s Seat“ über die Kommunikation zwischen Fahrer:in und autonomen Autos.

Rabbit Hole

[Englisch] Innerhalb weniger Jahre hat sich die New York Times zum Podcast-Giganten entwickelt. Mit The Daily betreibt die Zeitung den erfolgreichsten narrativen Nachrichtenpodcast der Welt, gespeist aus dem scheinbar endlosen Pool an Journalist:innen, den die Redaktion zu bieten hat. Immer wieder entpuppen sich dabei einzelne Geschichten zu Ausreißern mit einer eigenen kurzen Staffel. Nach einer Handvoll Gastauftritte bei The Daily hat der erfahrene Tech-Reporter Kevin Roose seine eigene Miniserie bekommen.

Kaum ein Podcast spiegelt so gut das Chaos und die Verwirrung des vergangenen Jahres wider wie Rabbit Hole. Der Podcast begreift soziale Medien als ein gesellschaftliches Phänomen, das längst in der „realen“ Welt Gestalt annimmt – wenn diese Trennung überhaupt noch sinnvoll ist. Kevin Roose zeichnet den Weg von YouTube-Algorithmen hin zu PewDiePie, QAnon bis zum Terroranschlag in Christchurch überzeugend nach. Begleitet wird der hochqualitativ produzierte Podcast von einem hervorragenden Soundtrack, der einen direkt in den Cyberspace hineinsaugt.

(Anmerkung: Nachdem faktische Fehler in Caliphate, einem weiteren Podcast der New York Times, aufgedeckt wurden, steht einer der Produzenten von Rabbit Hole zu Recht schwer in der Kritik.)

Reply All

[Englisch] Podcasts leben oft von der Chemie zwischen den Moderator:innen, und da spielt Reply All ganz vorne mit. Die zwei Freunde PJ Vogt und Alex Goldman arbeiten seit Jahren gemeinsam daran, die Mysterien des Internets aufzuklären. Dabei ist man als Hörer:in genauso oft amüsiert wie man ehrlich erstaunt und fasziniert ist. Im Zentrum stehen dabei die Menschen, mit ihren verwirrenden und chaotischen Begegnungen mit Technologie.

Die beiden Gründer werden dabei von einem fähigen Team komplettiert. Mit dem kürzlich zum Co-Moderator ernannten Emmanuel Dzotsi (Co-Moderator der dritten Staffel Serial) ist nun auch eine wichtige nicht-weiße Perspektive zum festen Bestandteil der Sendung geworden. Rasende Reporterin Sruthi Pinnamaneni bringt Geschichten aus dem Feld mit und reist Kopfgeldjägern hinterher.

Wer würde nicht gerne einen Podcast hören, in dem sich einer der Moderatoren mit einem Hotline-Trickbetrüger anfreundet und ihn in Indien besucht oder in dem ein ganzes Team an Reporter:innen einem Ohrwurm aus den 90ern nachspürt. Jede Folge ist ein einziger Genuss.

Netzpolitik Podcast

[Deutsch] Außer Konkurrenz steht natürlich unser NPP, der Netzpolitik-Podcast. Er ist sowas wie die Schlaufe um das Versprechen der Transparenz von netzpolitik.org. Hier erzählen euch unsere Kolleg:innen von ihren aktuellen Recherchen und zeigen, was so hinter einer Story steckt, wie zum Beispiel in unserer Folge zu den Corona-Klage-Spendensammlern. NPP ist aber auch eine Gelegenheit, uns Themen mit Tiefe zu widmen, die im Tagesgeschäft manchmal verloren gehen können, wie in unserem Gespräch mit der Künstlerin İdil Baydar über Rassismus bei der Polizei, Humor und Influencer.

Für echte Fans von netzpolitik.org ein absolutes Muss.

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